Die Politik vor dem Volk – ratlos.

 

Bill Clinton und Barack Obama werden mit ihren Wahlkampfslogans in den Almanach politischer Sinnsprüche eingehen: It’s the economy stupid (Clinton) und Yes we can (Obama) verweisen auf zwei Dimensionen des Politischen, die hierzulande – und in Europa allgemein – im öffentlichen politischen Diskurs von den herrschenden Eliten nicht ausreichend aufgenommen werden.

Am Mikrokosmos der jüngsten österreichischen Wahlen lässt sich dieses Problem gut studieren. Über die wirtschaftlichen Verhältnisse wurde wenig diskutiert. Der seit Jahren mal mehr, mal weniger offen tobende Klassenkampf von oben war kein Thema in den Scharmützeln der großen Parteien. Sinkende Reallöhne, Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, massive Umverteilung von Reichtum – außer ein paar Splittergruppierungen sprach niemand davon. Die schleichenden ökonomischen Entwicklungen zeitigen Folgen bei den Bürgern, aber sie sind schwer zu begreifen und in populärer Form dingfest zu machen. Ökonomische Fragen wurden bestenfalls als Verteilungsfragen zwischen Staat und Bürgern diskutiert – die Jungen gegen die Alten, die Arbeitslosen gegen die Beschäftigten. Wer sie offen jenseits dieser Scheinkontroversen anspricht verfällt dem Verdikt des Linksradikalen – eine Art selbstklebendes Stigma im politischen Diskurs hierzulande.

Auf der anderen Seite und parallel dazu das weit verbreitete Gefühl für dumm verkauft oder nicht anerkannt zu werden. Fehlende Anerkennung schärft das Bewusstsein für Benachteiligungen. Diese Lücke machen sich die national-populistischen politischen Kräfte zu nutze. Fehlende Anerkennung findet ihren Niederschlag in Bewegungen wie Pegida oder dem Aufschwung der FPÖ in Österreich. Sie bedienen die Psychologie eines Neidkomplexes nach unten. Das imaginierte „Wir“, mit dem diese Bewegungen und Parteien operieren, gewinnt seine Kontur im Kontrast zu „den Anderen“, zu denen, die scheinbar und ungerechtfertigt mehr Aufmerksamkeit, mehr Zuwendung, mehr Anerkennung erhalten.

In historischer Perspektive zeichnet sich hier eine Konfliktform ab, die in der politischen Kultur nicht vorgesehen ist. Die bürgerlichen Revolutionen haben politische Teilhabekonflikte angezettelt. Sie haben uns das allgemeine Wahlrecht gebracht. Die sozialen Kämpfe der Arbeiterbewegung waren um Verteilungskonflikte herum organisiert und erkämpften einen wohlfahrtsstaatlich gezähmten Kapitalismus. Bei den sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen standen Repräsentationskonflikte im Vordergrund. Hier ging es um das knappe Gut öffentliche Aufmerksamkeit, das zwischen einer heterogenen Ansammlung von Lebensstilgruppierungen, von Veganern und Lesben bis zu Behinderten, Tierschützern und Frauen neu verteilt werden sollte. Die Grünen waren die politische Manifestation der Repräsentationskonflikte, die Sozialdemokratie marschierte für gerechte Verteilung und die frühen bürgerlichen Parteien für die politische Teilhabe. Die neuen Rechtspopulisten scheinen sich zur politischen Formation der Austragung von Anerkennungskonflikten zu entwickeln. Sie vermitteln das Gefühl der Wertschätzung durch die Ausgrenzung jener, die eine solche Wertschätzung nicht verdienen sollen. Den Anhängern der Rechtspopulisten geht es nicht um politische Teilhabe, nicht um ökonomische Vorteile oder Anerkennung ihres spezifischen Lebensstils. Sie wünschen sich anerkannt und ernst genommen zu werden.

Was das bedeutet, haben die traditionellen politischen Parteien nicht verstanden und so erhalten jene Kräfte Zulauf, die das Gefühl der Anerkennung durch Ausgrenzung vermitteln. Wie die aktuelle Diskussion über Flüchtlinge zeigt, gelingt es ihnen, die politische Energie der Missachteten umzulenken auf eine Gruppe, die in ihrem Leid und ihrer Not plötzlich jene Anerkennung bekommt, die sie selbst so schmerzlich vermissen. Auch wenn es „uns“ weit besser geht, als jenen, die hierher flüchten. Sie bekommen etwas, was vielen hierzulande abgeht: Anerkennung als Menschen, deren Schicksal man ernst nehmen muss.