Forschungsförderung in Österreich – ein Blick in die Praxis

 

Auf der politischen Bühne wechseln die Schlagworte zu Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung im Rhythmus der Moden. Derzeit ist viel von Innovation die Rede. In der Praxis regiert entgegen der auf den Podien regelmäßig beschworenen Dynamik und Flexibilität nach wie vor der traditionelle bürokratische Geist, überzieht Verwaltungsdenken die Forschungslandschaft und gilt die Maxime, dass man dieses schon immer so und jenes noch nie gemacht habe und demnach auch nicht machen werde. Eine lange Litanei käme zustande, reihte man die Klagen aus der Forschungspraxis aneinander, stöhnende Klagen die sich wie Variationen eines Themas wiederholen: Wir sind damit beschäftigt, die Vorgaben der Verwaltung zu erfüllen. Seufzt und wendet sich resigniert einem neuen online Formular zu das dazu dient die Voraussetzungen für die Berechtigung auf Beantragung einer kostenneutralen Verlängerung eines Forschungsprojekts zu überprüfen, beizulegen sind Unterlagen lt. Anlage.

Über mein erstes gefördertes Forschungsprojekt informierte mich die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit einem kurzen Brief, den ich in die Verwaltung der Universität trug, wo man sich um die weitere Abwicklung kümmerte. Gelegentliche Telefonate genügten, um offene Fragen zu klären. Am Ende gab es nach zwei Jahren eine einfache Abrechnung über die Mittelverwendung, einen Strauß Blumen für die freundliche Mitarbeiterin der Verwaltung und alle waren zufrieden. Jüngere Kollegen, die mit e-call, ECAS, und all den anderen Internet-Portalen der Forschungsfinanzierung aufgewachsen sind, die inzwischen als einzig legitimer Zugang zur allmächtigen Verwaltung durchgesetzt wurden, können sich das nicht mehr vorstellen.

Was ist geschehen, wie konnte das passieren? Offene Fragen und anstehende Probleme in Verwaltungsvorgänge zu transformieren ist eine Verlockung für die Politik, erweitert den Machtbereich, schafft Abhängigkeiten und herrscht erstmal die aktenförmige Logik des Verwaltungsformulars, dann hat sich damit eine universelle Währung etabliert, mit der alles andere beglichen werden kann. Kein Formular, kein Stipendium, kein Antrag gemäß Vorlage, keine Förderung. Viele Großforschungseinrichtungen sind inzwischen selbst wie eine beliebige Behörde oder ein Amt organisiert. Diese Form bleibt für die Forschung, die man dort ja auch macht, nicht folgenlos, die Anzahl der Verwaltungsmitarbeiter steigt, die der Forschungsstellen sinkt. Das verändert die Kostenstruktur. Verwaltung erhöht den Gemeinkostenanteil und das frisst sich in die Budgets, die von der Politik bereitgestellt und von der Forschungsförderungsbürokratie verteilt werden.

Der Austausch mit dieser Forschungsförderungsbürokratie funktioniert reibungslos, da der Output der Forschung selbst schon eine verwaltungsgängige Form annimmt. Diese Angleichung von Forschung und ihrer Verwaltung in Form, Haltung und Geist geht ebenso schleichend wie rasant vonstatten. Das fördert nicht Innovation sondern Routine und selbstverstärkende Tendenzen der Abschottung und stärkt die Kräfte der Beharrung. Die Verwaltung hat den Sieg über die Forschung davongetragen und exekutiert ein Programm, das nicht anschlussfähige Formen der wissenschaftlichen Produktion aussortiert oder bestenfalls in eigens eingerichtete schützende Soziotope endlagert. Was bleibt ist weniger innovativ als berechenbare und vor allen Dingen abrechenbare Aktivitäten, die im Ergebnis selten dem plakativen Anspruch auf Nützlichkeit, Umsetzbarkeit, oder wirtschaftlichen Erfolg gerecht werden.

Das große Missverständnis besteht in der Verwechslung von realen Veränderungen und verwaltungsförmig aufgesetzten Programmen, die den Namen der angestrebten Veränderung im Titel tragen (und dann z.B. „Forschungsförderungsgesellschaft“ heißen). Und die große Gefahr besteht in der schwer zu kontrollierenden Tendenz von inkrementalem Wachstum und Abschottung gegenüber der Umwelt, die solche Verwaltungseinheiten auszeichnet. Mit wachsender Anzahl an Planstellen, wachsendem Budget und Ausdehnung von Aufgaben- und Kompetenzbereich wächst zugleich die Bedeutung einer solchen Verwaltung, sichert man den Fortbestand und die Finanzierung. Es ist dann nur mehr eine Frage der Nachbarschaftshilfe, sich von einer ähnlich strukturierten Einheit nach gebotener Zeit evaluieren zu lassen um festzustellen, dass gemäß den gewählten Maßzahlen und Indikatoren Erfolg zu vermelden ist und einem weiteren Ausbau nichts im Wege steht.

Das mag nach abstrakter Verallgemeinerung klingen, aber Beispiele, die diesen Prozess veranschaulichen finden sich zuhauf vor der Haustüre. Da findet etwa ein im Sinne des Innovationsparadigmas eigentlich begrüßenswerter Prozess der Differenzierung statt: ein etabliertes Forschungsinstitut teilt sich auf, es entsteht ein neues, auch im Geschäft der europäischen Forschung erfolgreiches Kleinunternehmen. Im Rahmen dieser Neugründung wandern einige laufende Forschungsprojekte mit – money follows researcher – und damit sollten bereits gewährte, zusätzliche Förderungen aus nationalen Töpfen eigentlich mitwandern. Auf Nachfrage bei der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft heißt es, einen solchen Fall habe man noch nicht gehabt. Solche Auskünfte lassen Schlimmes vermuten. Und nun beginnt ein kafkaeskes Schauspiel das sich über Jahre hinzieht. Die Mittel der nationalen Förderung können nicht von A nach B übertragen, sie müssen an die FFG zurücküberwiesen und von dem neu gegründeten Forschungsinstitut wieder beantragt werden. Dieser neue Antrag aber wird als Querfeldein Langstrecken Hindernisrennen durch den Dschungel der Bürokratie gestaltet. Eingefordert werden die Dokumente aus Brüssel, aus denen hervorgeht, dass der stattgefundene Übergang von Institut A nach Institut B wirklich stattgefunden, von den europäischen Fördergebern zur Kenntnis genommen und bewilligt wurde. Aber so einfach geht es nicht: was der europäischen Forschungsförderungsbürokratie genügt, muss noch lange nicht die Ansprüche der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft befriedigen. Es werden Papiere nachgereicht, zusätzliche Bestätigungen eingeholt, Koordinatoren um erklärende Dokumente gebeten. Sodann gilt es die Zweifel zu zerstreuen, dass das neu gegründete Institut wirklich in der Lage ist, die Forschungsprojekte abzuwickeln. Gefordert werden die Bilanzen der letzten drei Jahre, ein halbes Jahr nach Gründung. Gefordert wird der Nachweis, dass sich besagtes Institut, das sich inzwischen einen Namen gemacht hat und selbst in den Medien als Hort entsprechender Expertise präsent ist wirklich mit der entsprechenden Forschung beschäftigt. Inzwischen sind gut eineinhalb Jahre vergangen. Der Prozess steht immer noch am Anfang. Die Mittel wurden von Institut A an die FFG zurücküberwiesen, der Neuantrag aber, um diese Summe dem neu gegründeten Institut B zukommen zu lassen, ist bisher nicht vorangekommen. Hinzu kommt, dass die Kontaktaufnahme mit der Forschungsförderungsgesellschaft nur über das dort eingerichtete Portal e-call gestattet ist. Telefonanrufe werden als unziemlich erachtet und nicht als legitime Schritte akzeptiert. Zwar hat dieses ominöse Portal, wie die meisten dieser virtuellen Kommunikationsformate seine Macken, eingescannte Anhänge werden nicht hochgeladen, Botschaften werden mehrfach oder auch mal gar nicht übermittelt. Der Rückgriff auf das funktionierende Medium Telefon aber wird verweigert. Als es dann doch nach einer wieder einmal über das elektronische Portal eingegangenen Forderung, weitere Dokumente beizubringen, zu einem Telefongespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin kommt, teilt diese mit, es könne, solange die geforderten Dokumente nicht in der gewünschten Form vorlägen, der eigentliche Prozess nicht in Gang gesetzt werden. Erst wenn alles wie gewünscht vorläge, träte ein Gremium zusammen, das dann darüber zu entscheiden habe, ob die ursprüngliche Transaktion überhaupt statthaft sei. Dieser Entscheidung könne man nicht vorgreifen.

Letzens sah ich eine Übertragung aus Alpbach, ein Vertreter des in Österreich für Forschung und Wissenschaft zuständigen Ministeriums deklinierte etwa 10 Minuten alle Varianten des Wortstamms „innov“ durch, sprach von Innovierenden, Innovation, Innovanden etc. Ich musste herzlich lachen.

 
Reinhard KreisslComment