Schwarz-grün ist die Haselnuss
Die Frage ob’s ein Missgeschick oder eine teuflische Verschwörung war, wenn Unerwartetes zu erklären ist, lässt sich in den meisten Fällen leicht beantworten: glückliche Zufälle oder bedauernswerte Missgeschicke ändern die Welt häufiger als geschickt eingefädelte und geheim orchestrierte Pläne. Das schwarz-blaue Missgeschick war einer Verschiebung innerhalb der beiden großen politischen Lager zu verdanken, ebenso wie die zufällige Konstellation nach den letzten Wahlen dem Land eine schwarz-grüne Regierung beschert hat. An der Grundhaltung der österreichischen Wählerschaft hat sich nichts geändert und in der Dämmerung der Demokratie werfen auch Zwerge lange Schatten und qualifizieren sich als Kanzler. Trotz zur Schau getragener Jugendlichkeit bleibt Alles beim Alten und das Regierungsprogramm preist die Schönheit Österreichs, das Glück der Österreicher und huldigt der österreichischen Lösung, dem ewigen Kompromiss. Probleme werden nicht gelöst, Konfrontationen nicht ausgetragen, Positionen nicht verteidigt. Man wolle sowohl die Grenzen als auch die Umwelt schützen. Ausländer raus und Feinstaubbelastung runter – fertig ist der koalitionäre Konsens im Kompromiss, der Status quo stabilisiert, jeder Widerspruch weggewischt – eh alles leiwand. Die Grünen haben ihr Zuckerl, sichern die Mehrheit und geben Ruhe.
Der Kompromissmus nutzt den österreichischen Reisverschluss, der lange Zeit die beiden Reichshälften zusammenhielt: Spitzenposten werden proportional an die Parteien vergeben mit der Maßgabe, den jeweiligen Stellvertreter aus dem Bewerberpool des Koalitionspartners zu wählen. Das mag im Bereich der politischen Verwaltung als ein System der checks and balances sinnvoll erscheinen, ist für die politische Diskussion und Gestaltung aber Gift. Die Auflösung von Politik in eine Ansammlung beliebiger Einzelthemen, mit denen sich machtpragmatisch schachern lässt, nimmt der Politik Anspruch und Sinn. Es verschwindet mit der Frage nach der guten Gesellschaft die Alternative, sie löst sich auf in den Kompromiss. Der schwarze Block werkelt weiter wie bisher, streng interessengeleitet mit symbolischen Kerzenlichtern a la Balkanroute schließen. Den Grünen möchte man den Slogan der Bewegung in Erinnerung rufen – Don’t change the climate, change the system!
Die Politik der kleinen Münze, das langwierige Bohren dicker politischer Bretter, die mühsame Mechanik der verwaltungsförmig vorangetriebenen Reform sind wichtig, verdienen Beachtung und Respekt, denn der Teufel sitzt im Detail und ist dort zu bekämpfen. Davon zu unterscheiden aber sind die großen politischen Fragen: wie wollen wir leben und was heißt es, in einer globalisierten Risikogesellschaft zu leben? Was bedeutet Gerechtigkeit? Wie sollen Lasten und Gewinne verteilt werden? Wie kann politische Handlungsmacht wieder unter demokratische Kontrolle gebracht werden? Wie lassen sich Fragen beantworten, die den Rahmen unseres ethisch-moralischen Denkens überfordern? Derartiges lässt sich natürlich nicht in kleinteiligen Verhandlungsrunden diskutieren. Aber es sollte und könnte dort die Diskussion beleben und voranbringen über das zwei-für-Dich, eins-für-mich Geschachere hinaus, das uns dieses bemerkenswerte Regierungsprogramm beschert hat.