Sind wir am Vorabend einer neuen Reichspogromnacht

 

Mit medialem Getöse hat die derzeitige Regierung radikale Maßnahmen gegen Vertreter des Islam in Österreich angekündigt. Moscheen sollen geschlossen, Vereine aufgelöst und Imame ausgewiesen werden. Begründet werden diese Schritte mit einer vermeintlichen Bedrohung durch einen „politischen Islam“ und als Beleg werden Medienberichte angeführt.

Ein Lehrstück aus dem Handbuch des Populismus. Der Begriff des politischen Islam ist so furchteinflößend wie vage. Verschwörungstheorien und Untergangsfantasien vermischen sich hier zu einem Bedrohungsszenario, das sich eine Politik nicht entgehen lassen darf, der jede programmatisch-politisch-kulturelle Idee eines modernen demokratischen Staatswesens fehlt.

Der politische Islam – was immer man darunter fassen mag – zählt sicherlich nicht zu den Bedrohungen Österreichs oder Europas, gegen die eine mit zivilgesellschaftlichen Werten der Aufklärung kompatible Politik dringend spektakulär-radikale Maßnahmen ergreifen muss. Es gibt eine Reihe von Aufgaben, bei denen es gälte die regierungsamtlichen Ärmel hochzukrempeln. Bildung, Arbeitsmarkt, Umwelt, Staatsverwaltung, internationale ökonomische Verflechtung, Finanzmarkt, Europäische Integration, technologische Entwicklung, das Pflichtenheft ist schnell gefüllt. Stattdessen wird symbolische Politik mit Menschenopfern inszeniert, werden Maßnahmen ergriffen, die jene betreffen, die ohnehin nicht zur Wahlurne gehen können um den potentiellen Wählern zu demonstrieren, dass man sich um ihre Belange kümmert. Das ist nationalistisch und rassistisch gefärbter Populismus billigster Prägung. Das ist Politik wie beim Discounter – billige Sonderangebote minderer Qualität, groß angepriesen zum Schnäppchenpreis.

Billig, wenn man bedenkt, dass die Schlagzeilen des Boulevards als Beleg für die Politik herhalten müssen. Was wiederum verständlich ist, wenn man bedenkt, dass die Regierung den ohnehin nicht sehr effektiven Verfassungsschutz, dessen Aufgabe es wäre, Gefahren für das Gemeinwesen zu analysieren, gegen die Wand gefahren hat.

Lächerlich, wenn man auf religiös fundierte Parallelgesellschaften verweist im Angesicht einer Kraken-artig die Machtpositionen der politischen Verwaltung besetzenden Subkultur von antisemitisch-nationalistischen Burschenschaftlern. Schlagende Verbindungen und Ordensgesellschaften, die den Geruch von Mottenpulver und Weihrauch verbreiten bauen in Österreich viel stärker an verfassungsproblematischen Parallelgesellschaften als alle Imame zwischen Dornbirn und Wulkaprodersdorf zusammen.

Und nicht ohne Ironie erscheint mir letztlich der Vorwurf, der politische Islam werde vom Ausland finanziert. Da trifft es sich doch, dass die Paten der hiesigen Parallelgesellschaften damit beschäftigt sind, Geld ins steuerlich vorteilhafte Ausland zu transferieren, wo es dann in Kanälen verschwindet, die ebenso dunkel sind, wie die düsteren Pläne der politischen Islamisten.

Gefährlich aber ist dieser billige Populismus, da er zur Erosion der ohnehin nicht sehr robusten Zivilität hierzulande beiträgt. Politik mit Feindbildern kennt keine Stoppregeln, die Eskalation der Bedrohungsszenarien folgt der medial verstärkten Dynamik der Drogenabhängigkeit und das senkt die Schwellen der Gewalttätigkeit, verbal, politisch und letztlich auch real und physisch. Wir sehen hier einen menschengemachten Klimawandel, steigende Temperaturen des geschürten Volkszorns und das Abschmelzen von Vorräten politischen Anstands. Leider kümmert sich Greenpeace nur um die Bedrohung der physischen, nicht der symbolisch-politischen Umwelt. Es wäre an der Zeit, das Mandat der Umweltschützer zu erweitern.

 

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