Gemeinsam sicher – es könnte so einfach sein. Beobachtungen aus dem Alltag der Grätzelpolizei
Sicherheit von oben: Derzeit sind die Medien damit beschäftigt, rund um die Uhr zu berichten und zu informieren. Das soll den Menschen Sicherheit vermitteln, ebenso wie die kontinuierliche Kommunikation unserer Regierung. Trotzdem wird das Thema auf manchen Kanälen vielleicht zu stark behandelt, es fehlen teilweise die Atempausen dazwischen. Von unten:
Ganz anders wird das Thema Sicherheit in der Initiative Gemeinsam sicher behandelt. Diese Initiative der österreichischen Polizei setzt auf Kooperation und Bürgernähe und vor allem: Kommunikation. Auch wenn die Website der Initiative nicht ganz so aufschlussreich ist wie sie sein könnte, funktioniert das Konzept von Gemeinsam sicher, denn es setzt vor allem auf das persönliche Gespräch. Auch wenn man heutzutage telefonisch und per E-Mail an die Polizei herantreten kann, sind sensible oder mit Unsicherheit verbundene Themen oft einfacher im persönlichen Gespräch zu behandeln. Die Initiative Gemeinsam sicher wird in ganz Österreich von Polizeidienststellen umgesetzt, wie sie das tun, ist weitgehend eine Frage der Eigeninitiative. In Wien bedeutet Gemeinsam sicher, dass es Grätzelpolizist*innen gibt, deren Aufgabe es ist, als erste Ansprechperson zu fungieren, auch bei Anliegen, die nicht direkt mit Kriminalität zu tun haben, sondern mit einem Unwohlsein, das mannigfaltige Ursachen haben kann. Oft weiß man ja nicht, an wen man sich wenden soll, und hier übernimmt die Grätzelpolizei eine Schnittstellenfunktion. Neben ihren herkömmlichen Aufgaben im Streifen- und Innendienst bemühen sich Grätzelpolizist*innen um direkten Kontakt mit der lokalen Bevölkerung. Es gibt Grätzelcafés (etwa beim Tschibo in der Meidlinger Hauptstraße), Sprechstunden bei Banken oder im Magistrat. Man muss die Polizei nicht mehr nur in der Dienststelle aufsuchen – das nimmt die Hürde für jene, die sich nicht getrauen, mit ihren Sorgen gleich zur Polizei zu gehen. Es gibt viele Kooperationsveranstaltungen die etwa auf Gemeindeebende stattfinden – auch bei diesen Veranstaltungen jemanden aus der Polizei dabei zu haben, ist durchaus sinnvoll. Die Polizei übernimmt hier Aufklärungsarbeit, Beratungstätigkeit, Recherchearbeit, und sie nimmt am kommunalen Alltag teil. Denn die meisten Fälle, mit denen man im Grätzel konfrontiert ist, sind nicht einfach und schnell zu lösen und bedürfen einer genauen Abklärung von mehreren Stellen. Es sind vorwiegend alte Menschen, die sich alleine nicht mehr gut zurechtfinden, es sind prekäre Lebenssituationen, etwa Frauen mit Kindern, die nach einer Gewaltbeziehung nur schwer in ein geregeltes Leben zurückfinden, es sind immer mehr psychisch erkrankte Menschen mit denen die Grätzelpolizei zu tun hat.
Die Initiative belebt damit die Rolle der Polizei als soziale Dienstleistung, und das ist sowohl für die Polizei als auch für die Bevölkerung mehr als eine Imagekampagne. Nötig ist dafür das kontinuierliche Engagement von Polizist*innen. Denn nur wer über einen längeren Zeitraum im gleichen Grätzel arbeitet kennt die sozialen Verhältnisse und die Bewohner*innen. Hier werden auch ältere Kolleg*innen mit ihrer Erfahrung geschätzt (aka „Diese Disko kenne ich seit ihrer Eröffnung, ich kenne die Besitzer, etc.“). Und nur, wenn man gut mit seinem Team zusammenarbeitet, sprich kommuniziert, können unnötige Akten, die ansonsten bei jeder Meldung bei der Polizei erstellt werden müssen, verhindert werden und rasche Hilfe gewährleistet werden. Effizienz bedeutet hier nicht Rationalisierung sondern Prävention. Jemand, der in einer sozialen Ausnahmesituation ist, kann nicht mehrere Tage lang warten. Sicher ist nicht jede*r Polizist*in für die Grätzelarbeit gewillt und geeignet, doch es gibt einige, die diese Tätigkeit mit unglaublichem Einsatz leisten, auch wenn es dafür keine besondere Anerkennung innerhalb der polizeilichen Hierarchie gibt. Auch in der Bevölkerung ist Gemeinsam sicher noch nicht allgemein bekannt, gut Ding braucht wohl eben Weile. Wenn die uniformierte Polizei als Teil der Gesellschaft und nicht nur sprichwörtlich als Freund und Helfer agiert, wird sich das langfristig auch auf andere Bereiche der polizeilichen Tätigkeiten positiv auswirken.