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Polizeiliche Vernehmungsmethoden verbessern

Vor rund einem Monat hat die neu gebildete Bundesregierung ihr Programm für die kommende Legislaturperiode vorgestellt. Im Kapitel Innere Sicherheit unter der Überschrift „gute Rahmenbedingungen für eine moderne Polizei“, setzt man sich unter anderem das Ziel gängige Vernehmungsmethoden zu verbessern.

So soll beispielsweise geprüft werden, ob „vertrauensbasierte Vernehmungsmethoden“ bereits von der Polizei eingesetzt werden und ob diese – im Falle ihres Bestehens – gegebenenfalls weiterentwickelt und gestärkt werden sollen. Grundlage für diese Evaluation wäre laut Regierungsprogramm ein Trainingstool der Initiative gegen Folter (CTI Training Tools 1/2017), in dessen Rahmen investigative Interviewführung in Strafrechtsfällen beschrieben wird. Durch investigative Interviewführung sollen Polizeibeamte dazu angeleitet werden, Vernehmungen – sei es mit Opfern, Zeugen oder Verdächtigen – systematisch und vorbehaltslos durchzuführen, um übliche Fallstricke die mit voreiligen Schlussfolgerungen verbunden sind besser vermeiden zu können. Die Anwendung solcher Methoden wäre auch deshalb ratsam, weil sie nicht nur dem Schutz vor Falschaussagen oder übereilten Geständnissen dienen (und somit dazu beitragen können Justizirrtümern vorzubeugen), sondern auch um die Unschuldsvermutung zu „operationalisieren“.

Darüber hinaus sollen vor dem Hintergrund der bereits seit einigen Jahren stattfindenden Diskussion über den Einsatz von Ton- und Bild-Aufzeichnungen von Beschuldigteneinvernahmen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bestehende Pilotprojekte geprüft werden. Neben der Etablierung von mehr Transparenz und einer Verbesserung des Wahrheitsfindungsprozesses im Strafverfahren, würde vor allem der Beschuldigtenrechteschutz (vgl. Artikel 9/RL (EU) 2016/800) von einer rechtlichen und technisch-flächendeckenden Umsetzung dieser Maßnahme profitieren. Erwähnenswert ist hier die Tatsache, dass „audio-visual recordings“ von Polizeiinterviews in vielen Ländern seit Jahren obligatorisch sind (seit 1986 in Großbritannien). Einer der hierfür ausschlaggebenden Gründe ist die fast schon historisch anmutende Annahme, dass bestimmte Vulnerabilitäten entweder nicht unmittelbar erkannt werden können oder sich äußerer Beurteilung schlichtweg entziehen. Aus polizeilicher Perspektive würde die systematische Einführung von Ton- und Bild-Aufzeichnungen zusätzlich den Vorteil bringen, dass sich Polizeibeamtinnen präventiv gegen Missbrauchsvorwürfe absichern sowie Vertrauensbildung vorantreiben können. Bei einer praktischen Umsetzung dieser Maßnahme wäre hier vor allem die Frage zu stellen, wie sich daran anschließende Prozedere innerhalb der Organisationsstruktur der Polizei adäquat eingliedern lassen würden.

Ein weiterer Punkt der im türkis-grünen Programm zu finden ist, betrifft die Evaluierung der derzeitigen „Beziehungspraxis“ zwischen Polizei und Dolmetscher*innen. Während diese Zusammenarbeit für die Qualität des Ermittlungsverfahrens wesentlich ist, da durch qualitatives Dolmetschen beispielsweise (kostenintensive) Verfahrensfehler vermieden und dadurch Ermittlungs- und Verfahrensdauer verkürzt werden können, bleibt an dieser Stelle des Regierungsprogramms allerdings offen, in welchem Ausmaß der aus einer solchen Evaluierung gewonnene Erkenntnisgewinn im Sinne praktischer Maßnahmenumsetzung wirksam werden soll. Zwar wird das als Unterpunkt formulierte Ziel erwähnt, zukünftig nur Personen die transparente Qualitätsstandards (z.B. sprachliche, kulturelle und fachliche Kompetenz) erfüllen, zu polizeilichen Vernehmungen hinzuzuziehen und in entsprechenden Registern zu führen, doch wurden bisher diesbezüglich entwickelte Qualitätskriterien seitens des BM.I nicht öffentlich zugänglich gemacht oder unabhängig geprüft.

Gemäß den Empfehlungen des Österreichischen Verbands der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher (ÖVGD) wird zwar der regelmäßige und institutionalisierte Austausch zwischen den Fachbereichen Polizei und Dolmetsch (in Form von z.B. runden Tischen) im Regierungsprogramm angedacht, doch sucht man bis jetzt vergebens nach konkreten Umsetzungsstrategien. Dies gilt auch für andere Forderungen wie die Einführung von Trainings, Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten (z.B. Hochschulstudiengänge) für Dolmetscher*innen die im Strafrechtsbereich tätig sind oder die Gewährleistung angemessener Remunerations-Modelle, um dem allgemeinen Mangel an Dolmetscher*innen (seit 2007 um 50% weniger zertifizierte Gerichtsdolmetscher*innen laut ÖGVD) entgegenzuwirken.

Schließlich setzt sich die Regierung das Ziel den Ausbau von Videodolmetsch-Leistungen zu forcieren. Diese sollten, wie auch von NGOs und Expert/innen empfohlen (vgl. die 2018 veröffentlichte Studie „die ersten 48 Stunden“ vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte oder Forschungsergebnisse im Rahmen des von VICESSE koordinierten EU-Projekts FAIR) vor allem in „Ersteinschreitungen“ oder in Situationen in denen qualifizierte Dolmetscher/innen persönlich nicht unmittelbar anwesend sein können, zur Anwendung kommen, um Sachverhalte zügig klären zu können.

Im Regierungsprogramm unerwähnt bleibt die Möglichkeit der Schaffung einer im Bundesministerium für Inneres angesiedelten Stelle für die zentrale Administration- und Organisation von Dolmetscher*innen, die den Zweck hätte personelle Verfügbarkeitsengpässe effektiver zu kompensieren, sowie Ressourcen der Polizeibeamt*innen zu schonen um damit laufende Ermittlungstätigkeit zu stärken.

Was lässt sich nun erwarten? Während die Umsetzung oben genannter Punkte vor dem Hintergrund steigender Reformbedürftigkeit im österreichischen Strafjustizwesen sinnvoll und notwendig wäre, bleibt bisher offen, wie, in welchem zeitlichen Rahmen und durch welche finanziellen Mittel entsprechende Vorhaben praktisch zu implementieren sind.