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Die Hinterbühne auf der Vorderbühne

Es gibt einen alten Musikerwitz der geht so: Treffen sich zwei Orchestermusiker, fragt der eine „Wie war’s gestern mit dem neuen Stardirigenten?“, sagt der andere „Keine Ahnung, wir haben Mozart gespielt.“ Abgewandelt ins Politische gibt es das Bonmot des mächtigen Sektionschefs, der im Angesicht der Koalitionsverhandlungen meint, es sei ihm egal, wer unter ihm als Minister eingesetzt werde. Und ganz aktuell beobachten wir die Aufregung im Weißen Haus. Dort sorgt ein in der NYT veröffentlichter Beitrag aus dem inneren Zirkel des Präsidentenstabs für Aufregung, dessen anonymer Autor offen von gezielter Obstruktion gegen die erratisch hemdsärmelige Agenda des Donald Trump berichtet. 

Diese drei Beispiele sind Lehrstücke über das Verhältnis von Vorderbühne und Hinterbühne, von Spektakel und Routine, von symbolisch aufgeladener Erregung und kühl pragmatischer Vernunft. Sie sind zugleich ein Lob des Fußvolks, der Sherpas, Beamten und Handwerker, ein Lob all derer, die mit Augenmaß unbeirrt die Dinge erledigen, die anstehen. Die medial kolorierten und inszenierten Schlachten auf der politischen Vorderbühne, die wir derzeit beobachten, lenken die allgemeine Aufmerksamkeit von zwei wichtigen Prozessen ab. Da ist einmal das stille Mahlen der Mühlen der Verwaltung, jenes trägen Räderwerks, das oft zur Zielscheibe des Spotts wird. Aber diese Eigendynamik bremst spektakulär angekündigte politische Interventionen, lässt sie im Dickicht der Verwaltung versickern. Dort entfaltet sich stiller Widerstand, bestenfalls getragen von der Vernunft des Bodenpersonals. Da sind zum anderen aber die selten an die große Glocke gehängten Änderungen wichtiger gesetzlicher Rahmenbedingungen, innerhalb derer die politische Verwaltung agieren kann. Diese Veränderungen setzen eine längerfristige Strategie um, auch wenn jede einzelne für sich genommen unspektakulär erscheint. Es ist in diesem Zusammenhang wohl nur eine milde Stilisierung, wenn man die derzeitige Regierung als geräuschlose und effektive Erfüllungsgehilfen des Klassenkampfs von oben bezeichnet: Abbau von Arbeitnehmerrechten, Rückbau von Sozialleistungen, Kürzung immer dort, wo es gilt die Profite der Kapitalseite zu erhöhen und das steuerfinanzierte Budget der öffentlichen Hand zu schonen.

Was lässt sich daraus lernen? Kritische Aufmerksamkeit und öffentliche Aufregung sollten nicht den täglichen Presseverlautbarungen der Frontfiguren im Rampenlicht gelten. Die Darbietungen und Wortspenden der Kanzler- und Ministerdarsteller möge man an ihrem Unterhaltungswert messen. Hier gilt die Maxime, ein/e jede/r blamiert sich so gut er kann, Hauptsache die Medien nehmen es zur Kenntnis. Aufmerksam beobachten und mit kritischem Blick verfolgen aber sollte man das, was hinter dem Spektakel still und geräuschlos umgesetzt werden soll. Entscheidend ist hier wie sich diejenigen, die mit der Umsetzung betraut sind, verhalten. Machen sie mit, leisten sie passiven Widerstand durch Dienst nach Vorschrift, „spielen sie einfach Mozart“? Ein gut geölter Verwaltungsapparat entwickelt ein Eigenleben, das jede politische Intervention konterkarieren kann. Das kann man Reformresistenz nennen und manche politische Partei, die nach dem schlanken Staat ruft, hätte es hier gerne biegsamer, williger und billiger. Man kann es aber auch Beamtenethos und erfahrungsgeprägte Vernunft nennen. Und in Zeiten, in denen der Reformimpetus eher eine Aufkündigung des Gesellschaftsvertrags anstrebt, die kreischende Säge des Populismus am Gerüst von Gewaltenteilung und rechtsstaatlicher Verfahrensweise ansetzt, wären die zivilgesellschaftlichen Akteure des politischen Protests gut beraten, den Schulterschluss mit jenen Kräften zu suchen, die den Status quo eines demokratisch gezügelten und zivilisierten Gemeinwesens – durchaus im wohlverstandenen Eigeninteresse – zu erhalten versuchen. Lieber ein gut eingespieltes Orchester als wechselnde wild fuchtelnde Dirigenten, die mit einer zusammengewürfelten Blaskapelle nur heiße Luft produzieren.